Josef Mayr-Nusser
2017

Austauschtreffen mit Jugendlichen aus Erlangen

Das Schicksal des Josef Mayr-Nusser bewegt: Als er am 4. Oktober 1944 den SS-Eid verweigerte, tat er dies im Bewusstsein, damit sein eigenes Todesurteil unterschrieben zu haben. Ein Eid auf die Person Adolf Hitler war mit seinem Gewissen bzw. mit seiner Überzeugung als Christ nicht vereinbar. Er starb am 24. Februar 1945 in einem Viehwaggon bei Erlangen. Josef Mayr-Nusser gilt als Südtiroler Leitfigur des Widerstands gegen die NS-Unrechtsherrschaft und ist Ehrenbürger seiner Geburtsstadt. Am 18. März 2017 findet die Seligsprechung von Josef Mayr-Nusser in Bozen statt.

Rund um die Seligsprechung sind zehn Jugendliche nach Südtirol kommen (16. – 20. März 2017) und haben sich intensiv mit Josef Mayr-Nusser als Vertreter des antifaschistischen Südtirols, dessen Haltung, Glaubensstärke und Menschlichkeit – damals und heute – auseinandersetzen. Organisiert wurde der Austausch von der AGJD gemeinsam mit Partnerorganisationen wie das Centro della Pace, Young Caritas, SKJ etc.

Eindrücke des Austauschtreffens:

Josef Mayr-Nusser wurde am 27. Dezember 1910 geboren. Als 24Jähriger übernahm er 1934 das Amt des Diözesanpräsidenten der männlichen katholischen Jugend des deutschen Anteils der Diözese Trient (Katholische Aktion). Josef Mayr-Nusser und der geistliche Assistent der Kath. Aktion, Josef Ferrari, erkannten frühzeitig das Eindringen der antichristlichen und menschenverachtenden Ideologie des NS in Südtirol als Gefahr für das Land. 1944 wurde Josef Mayr-Nusser zum Dienst bei der Waffen-SS eingezogen und schlussendlich wegen seiner Weigerung, den SS-Eid abzulegen, zum Tod verurteilt. Auf dem Transport von Danzig ins KZ Dachau verstarb er am 24. Februar 1945 auf dem Erlanger Güterbahnhof. Die Seligsprechung Josef Mayr-Nusser am 17. März 2017 war für Studierende der Fachakademie für Sozialpädagogik (ehem. Erlangen/heute Baiersdorf), welcher 1978 bereits der Name Josef Mayr-Nusser verliehen wurde, Anlass nach Südtirol zu kommen. Gemeinsam mit VertreterInnen der Arbeitsgemeinschaft der Jugenddienste, der SKJ, der YoungCaritas und des Centro della pace setzten sich die Studierenden vier Tage intensiv mit Josef Mayr-Nusser auseinander.
 
Der Historiker Hannes Obermair gab der Gruppe im Dokumentationszentrum am Siegesplatz einen Einblick in die Zeit des Faschismus und des Nationalsozialismus in Südtirol, die Jugendlichen sprachen über Opfer und über Täter in der Südtiroler Gesellschaft. Paolo Valente, italienischer Caritasdirektor, referierte über den Mut und die Zivilcourage Josef Mayr-Nussers, seinem Nein zu Rassismus und Nationalismus, seinem Nein zu einem totalitären System, seinem Nein zum Kult um den Führer, aber auch seine Haltung über das Selig und Glücklich sein.
 
1938 sagte Josef Mayr-Nusser in einem Gespräch: „Das Einstehen für das als richtig Erkannte, für die eigene Überzeugung aus dem Gewissen heraus, auch wenn der Zeitgeist, die veröffentlichte Meinung, dem entgegengesetzt ist, das ist unsere Aufgabe heute wie in der Zukunft.“ Am Hügel der Weisen wurden Bäume für jene Weisen gepflanzt, die unauslöschliche Spuren in Bozen hinterlassen haben: Josef Mayr-Nusser, Franz Thaler, Claudio Abbado, Carlo Maria Giulini, Gianantonio Manci, Ryszard Kapuscinski, Bronislaw MalinowskiIn. Die Geschichte vom kleinen Baum, welche die Studierenden zu diesem Anlass mitbrachten, zeigt wie wichtig es ist, immer wieder Fragen zu stellen und nicht nur blindlings dem Zeitgeist zu folgen: „Wie unser Baum können auch wir unsere eigenen Prägungen von früher, unsere Wurzeln, immer wieder betrachten und neu überprüfen. Wir können immer wieder neue Blüten produzieren, neue Früchte reifen lassen und wiederum neue Samen in die Erde pflanzen.“
 
Diese Grundhaltung Josef Mayr-Nussers kam auch in einem gemeinsamen Gespräch mit Albert Mayr, dem Sohn Josef Mayr-Nusser, und den Studierenden in Lichtenstern am Ritten zum Ausdruck: „Wie verhält sich heute ein Christ gegenüber Anforderungen des Staates, die er nicht mit dem Gewissen vereinbaren kann?“ Nicht immer werden wir auf all unsere Fragen eine Antwort finden und jede Person hat die Freiheit, eine persönliche und individuelle Antwort zu geben. Der Kontext möge zwar heute ein anderer sein und doch soll – muss man, unbequeme Fragen stellen: Was macht Europa? Wie sieht es mit Waffentransporte von europäischen Ländern nach Afrika aus? Was passiert in der Türkei?

Die Fachakademie erhielt 2013 den Titel „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ verliehen. Leonhard F. Seidel, der in diesem Projekt die Schule als Pate begleitete, sagte: „Lasst uns gemeinsam an einer bunten und gerechten Gesellschaft arbeiten, in der alle gleich sind, aber verschieden sein dürfen.“ Dass dieser Satz auch in der Schule gelebt wird, zeigt die Auseinandersetzung mit verschiedenen aktuellen Themen: ein kurzer Film über das Projekt „Menschen auf der Flucht“ wurde auch in Bozen gezeigt. Die Grundhaltung der Fachakademie zeichnet sich durch ein gelebtes Christentum und eine verantwortliche Toleranz gegenüber Andersdenkenden aus. Den Studierenden, aber auch uns allen soll Josef Mayr-Nusser Aufforderung sein, sich mit der Vergangenheit zu beschäftigen und verantwortungsvoll in die Zukunft zu schauen.